Einbeiniger Weißstorch als Brutvogel

17.06.2018
Einbeiniger Weißstorch als Brutvogel

Eine stets viel diskutierte Frage ist die nach dem "richtigen" Umgang mit schwer verletzten Vögeln, besonders wenn die jeweilige Art "streng geschützt" ist. Das ist auch beim Weißstorch so. In den vergangenen Jahren wurden deutschlandweit verschiedene Versuche unternommen, Weißstörchen, die einen Verlust ihres Ständers unterhalb des Intertarsalgelenks erlitten hatten, mit Prothesen zu helfen. Diese Versuche waren zwar stets sehr gut gemeint und mit viel Engagement verbunden, haben aber letztlich ihr Ziel nicht erreicht. In der Regel war der Versorgungsaufwand extrem hoch und dennoch kam es fast immer zu schweren Entzündungen. Am Ende blieb nur, diesen Tieren weiteres Leid zu ersparen (so auch kürzlich einem derartig gehandicapten Pflegestorch im Zoo Rostock). Auf der anderen Seite gab es beispielsweise in Niedersachsen wiederholt Anträge eines langjährigen Weißstorchbetreuers an die zuständigen Naturschutzbehörden, schwer beinverletzte Weißstörche durch einen fachkundigen Jäger abschießen zu lassen, um ihnen weitere Qualen zu ersparen. In Einzelfällen ist ein solcher Antrag auch bewilligt worden.

In Schwaan/Landkreis Rostock kehrte Ende März ein langjähriger Brutvogel (beringtes Männchen) mit einer schweren Ständerverletzung an seinen Horst zurück. Kurz darauf folgte seine Partnerin. Das Paar begann nahezu planmäßig mit der Brut, wobei das behinderte Männchen davon profitierte, in einer Kleingartenanlage zugefüttert zu werden. Anfang Mai verlor es seinen gesamten rechten Ständer - mit Ausnahme eines kleinen Reststücks. Dennoch betrieb es das Brutgeschäft weiter mit voller Energie und Konsequenz. Mitte Mai entstand sogar der Eindruck, die Brut könnte erfolgreich gewesen sein. Letztlich befanden sich aber nur vier Eier im Nest, die vermutlich nicht befruchtet worden sind. Nach längerem Abwägen und Beratenlassen habe ich mich als zuständiger Weißstorchbetreuer entschieden, hier selbst nicht einzugreifen und der Natur ihren Lauf zu laufen. Ich würde dafür plädieren, jeden Einzelfall gesondert zu betrachten. Dass es grundsätzlich eine schwierige Frage ist und man dazu unterschiedliche Meinungen haben kann, ist für mich unstrittig.

Stefan Kroll, Rostock

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