Die Absicht verrät ihre Lobby - Rabenvögel werden zum Abschuss frei gegeben

18.07.2017
Die Absicht verrät ihre Lobby - Rabenvögel werden zum Abschuss frei gegeben

Das Umweltministerium in Schwerin hat folgenden Verordnungsentwurf zur Diskussion gestellt:

 

 

 

 

 

Verordnung zur Unterstellung von Tierarten unter das Jagdrecht und zur Bestimmung von Jagdzeiten

Aufgrund des § 26 Absatz 2 und des § 42 Absatz 1 Nummer 3, 4, 5 und 6 sowie Absatz 2 des Landesjagdgesetzes vom 22. März 2000 (GVOBI. M-V S. 126), das zuletzt durch Artikel 16 des Gesetzes vom 27. Mai 2016 (GVOBI. M-V S. 431, 437) geändert worden ist, verordnet das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt nach Anhörung des Jagd¬beirates der obersten Jagdbehörde:

Artikel 1

Verordnung über die Bestimmung weiterer jagdbarer Tierarten

Dem Jagdrecht unterliegen folgende weitere Tierarten:

1. Nebelkrähe (Corvus corone cornix),

2. Rabenkrähe (Corvus corone),

3. Elster (Pica pica),

4. Nilgans (Alopochen aegyptiaca) und

5. Nutria (Myocastor coypus).

Artikel 2

Fünfte Verordnung zur Änderung der Jagdzeitenverordnung

Die Jagdzeitenverordnung vom 14. November 2008 (GVOBI. M-V S. 445), die zuletzt durch die Verordnung vom 6. März 2014 (GVOBI. M-V S. 79) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 1 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

a) Nummer 3 wird wie folgt gefasst:

„3. Rehwild

Kitze vom 1. September bis 31. Januar;

Böcke bei Gesellschaftsjagden vom 16. Oktober bis 31. Januar,“

b) In Nummer 11 wird der Punkt durch ein Komma ersetzt.

c) Nach Nummer 11 werden folgende Nummern 12 bis 16 angefügt:

12. Nebelkrähe 1. August bis 20. Februar,

13. Rabenkrähe 1. August bis 20. Februar,

14. Elster 1. August bis 20. Februar,

15. Nilgans 1. August bis 15. Januar,

2. In § 5 Absatz 1 Satz 3 wird die Datumsangabe „31. März 2019“ durch die Datums angabe „31. März 2023“ ersetzt.

Artikel 3

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft.

Schwerin, den ..... 2017

Der Minister für Landwirtschaft und Umwelt Dr. Till Backhaus

 

Dazu hat der Vorstand der OAMV wie folgt Stellung genommen:

Die Begründung zu den Arten zum Entwurf der VO zur Unterstellung von Tierarten unter das Jagdrecht und zur Bestimmung von Jagdzeiten wird auf der Grundlage des Atlasses Deutscher Brutvogelarten von 2014 (kurz ADEBAR-Atlas; Gedeon et al. 2014) aufgebaut. Dieser bezieht sich auf ein Territorium zwischen Nord- und Ostsee bis zu den Alpen, also einem Gebiet mit sehr unterschiedlichen Landschaftsräumen sowie historisch gewachsenen Nutzungsunterschieden der Landschaft. Sowohl in der Beschreibung von Verbreitung, Bestand und Bestandsentwicklung kann schon aufgrund des beschränkten Druckraumes nur sehr verallgemeinernd die Situation je Art dargestellt werden. Die regionalen Unterschiede können nur angerissen bzw. beispielhaft benannt, im Einzelnen vielfach allerdings nicht aufgearbeitet werden. Dies kann auch nur in den Landesatlanten, die im gleichen Zeitraum für die meisten Bundesländer erstellt wurden, konkreter bearbeitet werden.

Für das Land Mecklenburg-Vorpommern erschien 2014 der Zweite Brutvogelatlas des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Vökler 2014), der vergleichend die drei bislang im Land erfolgten Brutvogelkartierungen (1978-82, 1994-98 und 2005-09) aufgearbeitet hat. Leider hat sich Ihr Haus offenbar nicht der Mühe unterzogen, die hier aufgearbeiteten Daten zu sichten, obwohl dieses Werk Ihnen damals zur Verfügung gestellt wurde! Allerdings hätten Sie dann wohl merken müssen, dass die Situation im Land eine andere ist, als das in den meisten anderen Teilen Deutschlands der Fall ist.

In der Begründung wird eine Dichte von Raben- und Nebelkrähe von etwa 0,5-1,8 Reviere/km² angegeben. Die Zahl wurde offensichtlich ohne Überlegung aus dem ADEBAR-Atlas von dem Artkapitel „Rabenkrähe“ übernommen. Denn genau dieser Wert steht hier, allerdings für das Nordwestdeutsche Tiefland. Die Werte entsprechen aber nicht denen für Mecklenburg-Vorpommern! Selbst die Angabe der Brutareale von Raben- und Nebelkrähe wird in der Begründung falsch übernommen (Grenze soll die Elbe sein). Tatsächlich steht im ADEBAR-Atlas, dass im Nordosten (also Mecklenburg-Vorpommern) das geschlossene Verbreitungsgebiet der Rabenkrähe bis zur Warnow-Mündung und der Müritz geht. Erst weiter südlich (also außerhalb unseres Bundeslandes) liegen die Grenzen der Verbreitungsgebiete beider Arten im Bereich der Elbe. Wäre die Situation tatsächlich so, wie in der Begründung genannt, käme die Rabenkrähe ja kaum bei uns vor! Das ist aber nicht so. Es ist unverständlich, dass dies von Ihnen nicht bemerkt worden ist! Derartige fachliche Mängel in einer Verordnungsbegründung sind irreführend und deshalb unverantwortlich.

In der Begründung werden zudem die Brutpaar-Zahlen für Europa und Deutschland genannt. Konkrete Zahlen für unser Bundesland - Fehlanzeige. Diese wären auch nicht so spektakulär! Man hätte sie allerdings aus dem ADEBAR-Atlas (S. 746) entnehmen können, wenn sich auch bei der Angabe der Brutpaar-Zahl der Rabenkrähe ein Druckfehler eingeschlichen hat: In Mecklenburg-Vorpommern sind 3.000 – 3.500 BP anzunehmen.

Für beide Arten wird im ADEBAR-Atlas sowohl lang- wie auch kurzfristig ein positiver Trend angegeben! Dies wird in der Begründung natürlich übernommen. Tatsächlich sieht die Situation in unserem Bundesland ganz anders aus. Hier hätte ein Blick in den Landesatlas ein genaueres und konkreteres Bild für die Einschätzung des Bestandes und des Trends beider Arten ergeben. Die Bestände beider Arten sind nämlich weitestgehend stabil einzuschätzen. Im Bereich der Verbreitungsgrenzen sind mittelfristig Verschiebungen zu erkennen, die allerdings langfristig gesehen, ebenfalls weitgehend konstant sind und keinen Trend erkennen lassen.

Somit sind die Aussagen zur Bestandsentwicklung beider Arten in der Begründung falsch und führten hier zu Fehlbewertungen der Situation in Mecklenburg-Vorpommern!

Im Einzelfall können natürlich auch diese Arten problematisch werden, insbesondere in Gebieten mit Vorkommen seltener Brutvogelarten (z.B. auf Küstenvogelinseln). Dieser Problemkreis würde durch die neue Jagdzeitenverordnung gar nicht berührt werden, da die Bejagung nur außerhalb der Brutzeit erfolgen kann. Hier wären also ohnehin Einzelgenehmigungen erforderlich! Dies sollte auch so bleiben, da z.B. insbesondere in Gebieten mit dem Vorkommen von Rabenkrähen die Verwechslungsgefahr mit der geschützten Saatkrähe (deren Bestand in Mecklenburg-Vorpommern weiter deutlich zurück geht) sehr groß ist. Insbesondere Jungvögel von Saatkrähen werden durch Jäger kaum von Rabenkrähen unterscheiden!

Auch für die Elster werden der Bestand und deren Entwicklung aus der gesamtdeutschen Sicht betrachtet. Insbesondere deren Verbreitung in der Landschaft wird sehr pauschalierend in einem breiten Spektrum urbaner Lebensräume sowie in halboffenen und offenen Landschaften dargestellt. Tatsächlich ist die Situation allerdings so, dass sich die Elster in Mecklenburg-Vorpommern, wie wohl im gesamten mitteleuropäischen Raum, aus der offenen Landschaft immer mehr in die menschlichen Siedlungen zurück gezogen hat. Noch in den 1970er Jahren war die Elster im heutigen Gebiet des Landes Mecklenburg-Vorpommern in der offenen Agrarlandschaft weit verbreitet, wenn auch bereits eine deutliche Bindung an menschliche Siedlungen zu erkennen war (ca. 50 % des Gesamtbestandes; Kaiser 1987). Gegenwärtig siedeln weniger als 4 % des Gesamtbestandes außerhalb von menschlichen Siedlungen (Vökler 2004). Gemeint sind damit Nester, die sich 200 m und weiter von menschlichen Gebäuden entfernt, befinden. Damit befindet sich der überwiegende Anteil des Bestandes der Elstern in Bereichen, die ohnehin nicht bejagt werden dürfen (§ 5 Landesjagdgesetz MV – befriedete Bezirke).

Die Urbanisierung, also der verstärkte Trend zur Verstädterung der Elster, ging einher mit einer deutlichen Bestandszunahme. Dies war in ganz Deutschland zu beobachten. Großflächige Untersuchungen von Mäck (1998), also unter Einbeziehung der offenen Landschaften (Agrarraum) zeigten, dass die Abundanz eher konstant blieb. In Mecklenburg-Vorpommern nahm der Bestand nach 1990 in vielen Gebieten deutlich zu. Dies ging einher mit dem Bauboom in vielen Regionen und wurde bis Anfang der 2000er Jahre festgestellt. Diese Bestandszunahme bezog sich allerdings nur auf den urbanen Bereich und wurde insbesondere im damaligen Landkreis Bad Doberan festgestellt. Damit war eine Bestandszunahme insbesondere in einem Gebiet (Umfeld der Stadt Rostock) mit verstärkter Urbanisierung beobachtet und war nicht für alle Regionen des Landes erkennbar (Vökler 2004). Inzwischen hat sich der Bestand konsolidiert und ist derzeit als konstant einzuschätzen. Somit hat sich im Nordosten im Hinblick auf die Bestandssituation der Elster gezeigt, was sich in den westlichen Bundesländern bereits in den 1970er/80er Jahren vollzogen hat.

Eine Bejagung ist in den Hauptbrutgebieten der Elster (innerhalb der Ortslagen) gar nicht möglich. Zudem entbehren die in der Begründung angegebenen Problemfelder (bedeutende Schäden (!) in der Landwirtschaft und nennenswerte Beeinträchtigungen von Beständen anderer Vogelarten und Niederwildarten) für die Elster jeglicher Grundlage. Eine derartige "alternative Faktenbildung" ist unseriös und scheint im Sinne einer Lobby-Befriedigung wohl beabsichtigt.

Mäck (1998) konnte in seinen Untersuchungen nachweisen, dass trotz der Zunahme der Elster im urbanen Bereich auch die meisten anderen häufigen Brutvogelarten (insbesondere Freibrüter; die Gelege und Jungvögel der Höhlenbrüter sind für diese Art ohnehin kaum erreichbar) zugenommen haben!

Obwohl der erste Brutnachweis der Nilgans in Mecklenburg-Vorpommern bereits 1992 erfolgte, trat die Art als regelmäßiger Brutvogel erst in den 2000er Jahren auf. Während der landesweiten Kartierung wurde der Brutbestand auf ca. 30-40 BP geschätzt (Vökler 2014). An dieser Situation hat sich bis zum heutigen Zeitpunkt (2017) nicht viel geändert. Wie auch bei den meisten anderen Entenvögeln werden allerdings nur sehr wenige jungeführende Paare beobachtet. Beispielsweise liegen aus dem Jahr 2016 nur 5 Nachweise von Paaren mit Nachwuchs vor (Quelle: www.oamv.de bzw. www.ornitho.de). In dem beigefügten Diagramm haben wir die Beobachtungen von Nilgänsen aus dem Jahr 2016 zusammengestellt, wobei Mehrfachzählungen an einem Standort an den Folgetagen nicht selektiert wurden. Hinter jeder Beobachtung stehen 1-4 Individuen, Beobachtungen von mehr als 10 Nilgänsen in einem Trupp sind in Mecklenburg-Vorpommern die Ausnahme (Quelle: www.oamv.de bzw. www.ornitho.de). Unschwer lässt sich daraus erkennen, dass sich in dem Zeitraum, in dem die Bejagung in Mecklenburg-Vorpommern erfolgen soll, kaum Nilgänse in unserem Land aufhalten. Das hängt sicher mit der Mauser und letztlich dem Überwinterungsgebiet der Nilgans zusammen, welches sich nicht in unserem Land befindet.

Somit steht die Frage: Warum muss eine Art bejagt werden, die im Land nur in sehr geringer Dichte auftritt und zu dem Bejagungszeitraum so gut wie nicht vorhanden ist! Die Nilgans in die Liste der in Mecklenburg-Vorpommern zu bejagenden Arten ist reiner Aktionismus! Im Übrigen wird in dem Wildtier-Informationssystem für das Jahr 2013 (welches in der Begründung aufgeführt wird) die Ausnahmesituation, die völlig andere Bestandssituation gegenüber den anderen Bundesländern explizit für Mecklenburg-Vorpommern aufgeführt! Auch hier müssen wir wiederum eine Beeinflussung des Entwurfs durch die Jäger-Lobby annehmen.

Im Entwurf der Verordnung steht:

„Ziel der Rechtsverordnung ist es, den Jagdbezirksinhabern die Möglichkeit zu geben, zur Verhinderung übermäßigen Wildschadens und zum Schutz des Niederwildes die Rabenvögel regulär bejagen zu können:

• Durch die Aufnahme und Verbreitung von Siedlungsabfällen (Kadaver- und Speisereste) können die Rabenvögel zur Verbreitung von Tierseuchen (z. B. Schweinepest, Geflügelpest, Brucellose) beitragen.

• Die Rabenvögel verursachen regional bedeutende Schäden in der Landwirtschaft (z. B. durch Aufhacken von Foliensilos oder Abdeckungen in Gartenbaubetrieben, Verletzen oder Töten von Kälbern oder Lämmern bei deren Geburt).

• Sie prädatieren andere Vogelarten und einzelne Niederwildarten, indem sie Gelege zerstören oder Jungtiere erbeuten.

Die Regulierung der Rabenvogelbestände (einschließlich Kolkrabe) im Rahmen ordnungsgemäßer Jagdausübung ist gegenüber dem bisherigen Verfahren (Einzelgenehmigung) ein geeigneteres Verfahren, die Bestände wirksam und mit weniger Verwaltungsaufwand zu regulieren. Eine Bestandsgefährdung durch Bejagung ist aufgrund der gesetzlichen Hegeverpflichtung ausgeschlossen. Den Belangen des Artenschutzes wird dadurch in ausreichendem Maße Rechnung getragen.“

Diese generelle Pauschalisierung der z.T. nicht belegbaren Schäden durch alle Rabenvögel ist ein ungerechtfertigter Populismus zugunsten der Landwirtschaft und Jägerschaft.

Der Rückgang von Niederwild und Vogelarten hat seine Ursachen kaum im Bestand von Rabenvögeln in unserer Region, sondern durch die aktuelle Form der landwirtschaftlichen Produktion. Rabenvögel sind dahingehend sogar eher ein stabilisierendes Element im Naturhaushalt. Selbst die hier unsinnigen Bejagungen unserer Population wäre durch eine Aktivierung der bestandsregulierenden Reserven der Krähenpopulationen wahrscheinlich sowieso unwirksam und daher moralisch bedenklich.

Bei den im Herbst-Winter-Zeitraum hier anzutreffenden Krähenvögeln handelt es sich zudem überwiegend um Zuwanderer aus Nord- und Osteuropa (zumindest an den großen Winterschlafplätzen). Ein solcher Eingriff in ausländische Brutpopulationen ist gravierend. Welches Recht hätten wir dann noch gegen die Bejagung von Zugvögeln in Ägypten, Griechenland oder auf Malta zu protestieren? Dies wäre egoistisch und doppelzüngig.

Die Übertragung von Krankheiten auf Großbestände der Tierhaltung sind z.B. bei der Geflügelpest kaum den Rabenvögeln zuzuschreiben.

Fazit: Aus o.g. Gründen besteht für Mecklenburg-Vorpommern keine Notwendigkeit die Arten in das Jagdrecht zu überführen und „regulierend“ einzugreifen. Angesichts der bestehenden Kompensationsmechanismen für jagdliche Verluste ist auch nicht zu erwarten, dass Abschüsse im Rahmen der Jagdausübung eine regulierende Wirkung haben. Eine wahllos auf der Fläche stattfindende Bejagung wäre auch nicht geeignet, tatsächlich bestehende räumlich und zeitlich begrenzte Probleme zu lösen. Dort, wo Rabenkrähe und Nebelkrähe Schäden verursachen, ist bereits jetzt über eine Einzelfall- bzw. Ausnahmegenehmigung eine Schadensminimierung möglich.

 

Wir warten jetzt auf eine qualifizierte Reaktion aus dem Ministerium

<< zurück zur Übersicht