Überraschung: Backhaus fordert kritische Debatte zum Leitbild der Landwirtschaft

17.09.2017
Überraschung: Backhaus fordert kritische Debatte zum Leitbild der Landwirtschaft

Das Umweltministerium gibt bekannt:

"Eine "kritisch-aktive Debatte" zwischen Landwirten und Gesellschaft über das "Leitbild der deutschen Landwirtschaft“ forderte Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus (SPD) heute in seinem Eröffnungsstatement zum Bauerntag im Rahmen der 27. Mecklenburgischen Landwirtschaftsausstellung (MeLa) in Mühlengeez.

Backhaus kritisierte einerseits den "Missionierungseifer" einer wachsenden großstädtischen "wohlhabenden Ernährungselite" auf Politik und Medien: "Deren Argumentation – erkennbar etwa in der Debatte um das Pflanzenschutzmittel Glyphosat – zielt darauf ab, Landwirte einhellig unter Verdacht zu stellen, sich aus reiner Profitgier systematisch an der Gesundheit der Deutschen zu versündigen". Tierschutz sei zu einer Ideologie geworden und Quälerei in der Massentierhaltung gehöre zu den Glaubenssätzen der selbsternannten Gutmenschen, die Käufer und Verbraucher landwirtschaftlicher Produkte unter Druck setzten.

Doch auch die Landwirtschaft müsse etwas tun, um Vorurteile abzubauen: "Anstatt um die Erhaltung des Status Quo zu kämpfen, muss der Berufsstand zeigen, wie es besser geht. Wer etwas verändern will, muss sich selbst verändern", sagte der Minister weiter. Beispielsweise habe der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung bereits seit 2010 nachgewiesen, dass das System pauschaler und kaum zielorientierter Direktzahlungen agrarökonomisch falsch und umweltpolitisch verfehlt sei.

Zudem gab Minister Backhaus Auskunft zum Wolfsmanagement im Land: "Für die aus CDU-Kreisen vorgetragene Forderung, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen, um den Bestand zu reduzieren, gibt es keinerlei Rechtsgrundlage", sagte Backhaus. Der Wolf gilt nach europäischer FFH-Richtlinie in Deutschland als streng geschützte Art. Der Managementplan für den Wolf ermögliche hierzulande aber dennoch ein "effektives Handeln". Dazu gehört der Einsatz zwölf ausgebildeter Rissgutachter, die genetische Identifikation und territoriale Abgrenzung der Rudel anhand von Speichel-, Haar-, Kot- und Urinproben, die Gewinnung wertvoller Daten auf dem Wege der Besenderung einiger Wölfe sowie die Realisierung von Ausgleichszahlungen sowie Förderung von Präventionsmaßnahmen über die Förderrichtlinie Wolf.

Derzeit leben drei Wolfsrudel in Mecklenburg-Vorpommern, 47 sind es deutschlandweit. Die Population wächst jährlich um etwa 40 Prozent. In diesem Jahr gab es in MV bislang 15 Übergriffe auf Nutztiere, bei denen Wölfe als Verursacher festgestellt wurden oder nicht auszuschließen waren; 34 Schafe, 8 Stück Gatterwild, 5 Kälber bzw. Rinder verendeten; 16 weitere Tiere wurden verletzt.

"Ich verstehe, dass Tierhalter und Anwohner in Wolfsgebieten sich sorgen", sagte Backhaus. Die Förderrichtlinie Wolf sieht deshalb bis zu 75-prozentige Zuschüsse für Maßnahmen zum Herdenschutz und Schadensausgleichszahlungen von bis zu 100 Prozent für von Wolfsrissen betroffene Tierhalter vor. Um auf "verhaltensauffällige Wölfe", also solche Tiere oder Rudel, die sich dreist oder sogar aggressiv gegenüber Menschen verhalten oder notorisch Übergriffe auf ausreichend geschützte Nutztiere verursachen, zu reagieren, kommen einheitliche Beurteilungskriterien zur Anwendung, die ggf. über Vergrämungsmaßnahmen oder eine Entnahme entscheiden. "Dennoch müssen wir endlich zu einem deutschlandweit einheitlichen Wolfsmanagement kommen", forderte der Minister.

Backhaus informierte auf dem Landesbauerntag außerdem über die Neuausrichtung der EU-Agrarausgaben und der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die aktuell fälligen Zuwendungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) seien inzwischen nahezu hundertprozentig ausgezahlt; die Direktzahlungen der EU erreichen die Landwirte bis zum Jahreswechsel.

"Dennoch darf es ein ‚weiter so‘ künftig nicht mehr geben", erklärte Backhaus mit Blick auf die von EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) zur Diskussion gestellte Neuausrichtung der Zuwendungen. Oettinger hatte angesichts des wachsenden Drucks auf den EU-Agrarhaushalt fünf Szenarien vorgestellt, die im Wesentlichen die Kürzung der Direktzahlungen (Flächenprämie) und die Stärkung kleiner bäuerlicher Betriebe und ärmster Landwirtschaftsregionen in der EU vorsehen.

"Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern werden dadurch erhebliche Mittel verlieren. Deshalb müssen wir uns entscheiden: Entweder wir kämpfen rückwärtsgewandt um jeden Cent oder wir denken zukunftsorientiert", sagte er.

Backhaus schlägt vor, das bisherige Zwei-Säulen-Modell der EU-Zahlungen zu modifizieren. Die Flächenprämie sollte ihm zufolge gekürzt, Junglandwirte und Landwirtschaft in abgelegenen Regionen gefördert werden, und für zusätzliche ökologische Leistungen auf seiner Fläche sollte jeder Landwirt einen höheren Anreiz ausgezahlt bekommen (1. Säule). Außerdem sollen alle Investitionen zur Förderung des Tierwohls und zur Förderung der ländlichen Räume aus dem EU-Fonds honoriert werden (2. Säule).

"Die Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik bedeutet für mich neben Einkommenssicherung und Entbürokratisierung für die Landwirte, neben der Produktion hochwertiger Lebensmittel und der Stärkung der Veredelungswirtschaft, vor allem eine stärkere Orientierung auf das Gemeinwohl", betonte der Minister. Auch müsse die Landwirtschaft umgehend einen größeren Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt, zur Verbesserung des Tierwohls und zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie leisten.

Bis 2021 müsse außerdem die bundesweite Düngeverordnung im Land umgesetzt werden: "Die Anzahl der Messstellen und die Zahl der Parameter zur Bewertung der Güte des Grund- und des Oberflächenwassers werden erhöht, um den Eintrag von Nitraten und Phosphaten aus landwirtschaftlichen Düngungen stärker als bisher zu kontrollieren und gezielt zu verringern", sagte Backhaus.

Für den Einsatz stickstoffhaltiger Wirtschaftsdünger ebenso wie von Gülle, Klärschlamm oder Bioabfällen sollen Obergrenzen, Düngezeiträume und Lagerung neu definiert werden. Außerdem werde die Düngung in der Nähe von Wasserläufen und an Abhängen neu geregelt. Ziel sei das Erreichen der Landes- und der EU-Vorgaben zum Schutz der Küstengewässer und die Verbesserung der Trinkwasserqualität.

In Mecklenburg-Vorpommern sind elf von 53 Grundwasserreservoirs aufgrund erhöhter Nitratwerte in einem chemisch schlechten Zustand."

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